Landtag/Schulausschuss: zweifelhafte Diagnosen bei Schulkindern

PRESSEMITTEILUNG

Thema im Landtag/Schulausschuss: Sonderpädagogischer Förderbedarf

Wie viele Schulkinder in NRW werden fälschlich diagnostiziert? Das System der Förderbedarfe gerät außer Kontrolle.

Wenn der Schulausschuss des Landtags sich am Mitwoch, 29.5.2024 mit dem „Wissenschaftlichen Prüfauftrag zur steigenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ beschäftigt, geht es um einen versteckten Skandal erheblichen Ausmaßes.

Immer mehr Schulkindern in Nordrhein-Westfalen wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert, und damit schulrechtlich eine Behinderung. Deren Zahl ist seit den 10er Jahren um rund 30.000 gestiegen, von rund 120.000 auf rund 150.000.

Warum es angeblich immer mehr Schüler mit Behinderung gibt, hat in der Schulpolitik jahrelang nicht interessiert. Erst im vergangenen Jahr hat das Schulministerium einen wissenschaftlichen Prüfauftrag vergeben, um den Gründen für die steigende Zahl an Bescheiden auf die Spur zu kommen.

Die Ergebnisse, die Prof. Gino Casale von der Uni Wuppertal im Schulausschuss des Landtags erklären wird, fördern erschreckende Zustände zutage.

Die sogenannten „AO-SF-Verfahren“ sind reine Gutachter-Verfahren. Die Schüler werden von Sonderpädagogen begutachtet und anschließend wird der Antrag von der Schulaufsicht nach Aktenlage entschieden. Was die Wissenschaftler jetzt vorgefunden haben, offenbart eine Praxis, die keine Vorkehrungen gegen Willkür kennt. Die Verfahren werden nicht nach einheitlichen Kriterien durchgeführt und fast hundert Prozent der Anträge führen zum Bescheid. Die Wissenschaftler entdeckten reihenweise Unregelmäßigkeiten. So wurde u.a. Schülern eine sonderpädagogischer Förderbedarf bestätigt, auch wenn sie nicht getestet werden konnten, weil sie sich etwa verweigerten. In vielen Fällen gibt es keine Angaben, welche Fördermaßnahmen die Schule im Vorfeld eines Antrags vorgenommen hat.  Das entsprechende Feld im Vordruck war einfach nicht ausgefüllt. Genehmigt wurde der Förderbedarf in diesen Fällen trotzdem.

Link zum wissenschaftlichen Prüfauftrag:

„Für die einzelnen Schüler hat der Förderbescheid Folgen, die das gesamte Leben prägen“, sagt die Vorsitzende des mittendrin e.V., Eva-Maria Thoms. Dies gelte insbesondere, wenn sie in die zieldifferenten Förderbedarfe Lernen oder Geistige Entwicklung eingeordnet werden. Dann werden sie nach deutlich reduzierten Lehrplänen unterrichtet. Der Weg zurück zum Regel-Lehrstoff gelingt dann nur noch in Ausnahmefällen.

„Deshalb fordern wir schon seit Jahren grundlegende Reformen bei den sonderpädagogischen Feststellungsverfahren“, sagt Eva-Maria Thoms. Zumindest müsse kurzfristig in allen Fällen, in denen es keine medizinische Diagnose einer Behinderung gibt, die Schwelle für die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs erheblich höher gelegt werden. Letztlich müssten die Schulen so gut ausgestattet und die Lehrkräfte so gut fortgebildet werden, dass sie alle ihre Schülerinnen und Schüler gut fördern können. Ziel müsse sein, dass das fatale Etikettieren von Kindern aufhört.

Schlagworte

  • Förderschule
  • Köln
  • NRW
  • Überregional
  • Inklusive Schule